BGH, Aktenzeichen: IV ZR 170/14, Urteil vom 17.06.2015
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. April 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Anschlussrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten weitere Leistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag. Am 17. Januar 2005 füllte die Klägerin ein zweiseitiges Antragsformular aus. Die beiden Seiten des Antragsformulars befanden sich in einem aus sechs Seiten bestehenden Vordruck (ein Deckblatt, zwei Seiten Beschreibung der Versicherungsleistungen, zwei Seiten Antragsformular und eine Seite juristische Hinweise). Die Beschreibung informierte unter einer Überschrift „Diese Leistungen bieten Sicherheit – rund um die Uhr und überall“ über Prozentsätze für ausgewählte Körperteile entsprechend einer Gliedertaxe. Unter anderem hieß es dort:
„Leistungsbeispiele bei Verlust oder dauernder Beeinträchtigung
[…]
ein Bein
- über Mitte des Oberschenkels 70%
- bis Mitte des Oberschenkels 60%
[…].“
Daneben befand sich ein Diagramm, das in drei Kurven für unterschiedliche Tarife die Zusammenhänge zwischen der „Kapitalleistung in %“ und der „Invalidität in %“ darstellte.
Die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) erhielt die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder bei diesem Versicherungsgespräch noch später. Die Versicherung begann am 1. Februar 2005; die monatlich zu entrichtenden Beiträge zahlte die Klägerin ab Februar 2005.
Die Klägerin verletzte sich am 27. Februar 2007 bei einem Unfall; sie erlitt einen Kreuzbandriss. Dieser führte zu einer dauernden Funktionsbeeinträchtigung des linken Knies. Die Beklagte rechnete den Versicherungsfall mit Schreiben vom 11. Juni 2008 und 18. Juni 2009 auf der Grundlage eines 1/4 Beinwertes ab und legte dabei nach der Gliedertaxe einen Ausgangswert von 70% zugrunde.
Die Klägerin verlangt Versicherungsleistungen für eine 70%-ige Invalidität einschließlich einer Progression. Sie behauptet, die Verletzung führe zu Rückenschmerzen und Beschwerden im Bandscheiben- und Lendenwirbelbereich, so dass ihr linkes Bein über der Mitte des Oberschenkels in seiner Funktion beeinträchtigt sei. Sie meint, der Inhalt der versprochenen Leistungen folge abschließend aus den Beschreibungen der Versicherungsleistungen im Antragsformular; danach sei der dort angegebene Prozentwert auch im Fall einer nur teilweisen Funktionsbeeinträchtigung zu gewähren. Die AUB seien kein Vertragsbestandteil geworden. Jedenfalls habe die Beklagte einen Invaliditätsgrad von 70% anerkannt.
Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage einer Invalidität von 60% stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter, mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zu Leistungen bei einem Invaliditätsgrad von 70%.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; die Anschlussrevision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Information im Vordruck den Verlust und die dauernde Beeinträchtigung unabhängig vom Grad der Beeinträchtigung gleichsetze. Da die Klägerin die AUB der Beklagten nicht erhalten habe, ergebe sich die Leistungspflicht der Beklagten allein aus dieser Information. Daher stünden der Klägerin unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung Leistungen nach einem Invaliditätsgrad von 60% zu.
§ 5a VVG a.F. regele den vorliegenden Fall nicht. Denn die Beklagte habe der Klägerin im Antragsformular bis ins Einzelne gehende Informationen zur Bestimmung des ihren Leistungen zugrunde liegenden Invaliditätsgrades erteilt. Bei einer solchen Teilinformation, die ein Versicherungsnehmer als ihm günstige Regelung verstehen dürfe, komme der Vertrag mit der für den Versicherungsnehmer günstigen Regelung zustande. Auf § 5 VVG a.F. könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie im Versicherungsschein nicht auf Abweichungen zwischen Antragsformular und Versicherungsschein hingewiesen habe.
Die Beklagte habe in ihren vorprozessualen Abrechnungsschreiben kein Anerkenntnis zu einem Invaliditätsgrad von 70% abgegeben; es handele sich lediglich um einseitige Absichtserklärungen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen liege eine dauernde Beeinträchtigung des linken Beines nur bis zur Mitte des Oberschenkels vor. Daher komme nur ein Invaliditätsgrad von 60% in Betracht. Soweit die Klägerin dies abweichend beurteile, sei dieses Vorbringen nicht zulassungsfähig. Denn die Klägerin habe in erster Instanz von ihrem Recht, den Sachverständigen mit ihren Thesen zu konfrontieren und ihn gegebenenfalls ergänzend mündlich anzuhören, keinen Gebrauch gemacht.
II. Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Im Übrigen ist die Entscheidung rechtsfehlerfrei.
1. Die Revision der Beklagten ist begründet.
a) Der Klägerin steht nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kein Anspruch auf Versicherungsleistungen nach einem Invaliditätsgrad von 60% zu, weil bei ihr nur eine teilweise Funktionsbeeinträchtigung des linken Knies vorliegt. Nr. 2.1.2.2.1 der AUB 2000 der Beklagten bestimmt, dass bei einer bloßen Funktionsbeeinträchtigung für die Berechnung der Invaliditätsleistung nur der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes gilt. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, dass die AUB 2000 nicht Vertragsbestandteil geworden sind.
aa) Für den Versicherungsvertrag gelten die AUB 2000 der Beklagten. Dies folgt aus § 5a VVG a.F., der auf den im Jahr 2005 abgeschlossenen Versicherungsvertrag anwendbar ist (Art. 1 EGVVG). Danach gilt ein Versicherungsvertrag auch dann „auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen“, wenn der Versicherungsnehmer diese Unterlagen nicht erhalten hat, sofern der Versicherungsnehmer dem Vertrag nicht widerspricht und ein Jahr seit Zahlung der ersten Prämie verstrichen ist.
§ 5a VVG a.F. erfasst alle Fälle, in denen der Versicherer weder bei Vertragsschluss noch später die von ihm für den betreffenden Versicherungsvertrag verwendeten Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer übergibt. Daher werden bei einem in der Geltungszeit von § 5a VVG a.F., d.h. in der Zeit zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 geschlossenen Versicherungsvertrag die Versicherungsbedingungen des Versicherers jedenfalls dadurch Vertragsbestandteil, dass der Versicherungsnehmer innerhalb eines Jahres, nachdem er die erste Prämie gezahlt hat, dem Versicherungsvertrag nicht widerspricht (§ 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.). Dies entspricht einhelliger Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main VersR 2004, 1451, 1452; OLG Frankfurt am Main VersR 2005, 631, 633; OLG Koblenz VersR 2003, 851, 852; OLG Köln VersR 2003, 101, 102; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838) sowie der herrschenden Meinung in der Literatur (Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 5a Rn. 57; Beckmann in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Einf. C Rn. 88; MünchKomm-VVG/Reiff, AVB Rn. 58; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 46; Präve in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2004 § 10 Rn. 157 ff.; Präve, ZfV 1994, 374, 380; Lorenz, VersR 1995, 616, 619 f.; Schimikowski, r+s 1996, 1, 4; a.A. Dörner/Hoffmann, NJW 1996, 153, 158; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluß nach neuem Recht – Dogmatische Einordnung und praktische Handhabung, 1995 S. 25 ff.). Dies gilt auch für die Unfallversicherung, weil § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nach der Rechtsprechung des Senats nur im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung richtlinienkonform einschränkend auszulegen ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt anzuwenden ist (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 27).
bb) Eine solche Einbeziehung der Versicherungsbedingungen setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsvertrag nur unter Einbeziehung entsprechender Versicherungsbedingungen abschließen möchte und der Versicherungsnehmer dies jedenfalls bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist erkennen konnte. Dies ist im Streitfall erfüllt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnimmt dem Antragsformular unschwer, dass die Beklagte die Unfallversicherung unter Geltung ihrer AUB abschließen wollte, weil sie bereits im Antragsformular im Anschluss an die Erklärungen des Versicherungsnehmers unter der Überschrift „Erklärungen und Hinweise 1. Vertragsgrundlagen“ darauf hinwies, dass für den Versicherungsumfang die im Antrag gemachten Angaben sowie die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (V. AUB 2000) gelten. Zudem unterschrieb die Klägerin eine gesonderte Erklärung, das Bedingungsheft Stand 1. Januar 2003 erhalten zu haben, und hatte deshalb besonderen Anlass anzunehmen, dass die AUB der Beklagten einbezogen werden sollten.
Hingegen hängt die Einbeziehung der Versicherungsbedingungen nach § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. – anders als das Berufungsgericht meint – nicht davon ab, ob und welche Teilinformationen der Versicherungsantrag zu Gegenstand und Inhalt der Versicherung enthielt. Solches steht nicht einmal der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 2 BGB entgegen; vielmehr betrifft dies allein die Frage, ob die Parteien in einzelnen Punkten – etwa als Individualabrede (§ 305b BGB) – vorrangige Regelungen gegenüber den Versicherungsbedingungen getroffen haben. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass § 5a VVG a.F. insoweit strengere Anforderungen an die Einbeziehung von allgemeinen Versicherungsbedingungen stellt.
§ 5a VVG a.F. unterscheidet nicht danach, ob und welche Teilinformationen der Versicherer erteilt; eine solche Unterscheidung war auch nicht Teil der gesetzgeberischen Interessenabwägung. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. knüpft schon dem Wortlaut nach ausschließlich daran an, ob dem Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen bei der Antragstellung übergeben worden sind oder nicht. § 5a VVG a.F. sollte das Problem lösen, dass mit den neu vorgesehenen Informationspflichten vor Vertragsabschluss – teilweise als unüberwindbar bezeichnete – Schwierigkeiten im Massengeschäft der Versicherung befürchtet wurden (BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Die Vorschrift sollte jeden Fall erfassen, in dem die Versicherungsbedingungen erst nach Antragstellung überlassen wurden (BT-Drucks. 12/7595 S. 111). Im Ergebnis erleichtert § 5a VVG a.F. damit die Einbeziehung der Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag.
cc) Ebenso wenig kommt es für die Einbeziehung der AVB nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. darauf an, ob der Versicherer die Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer zumindest innerhalb der Jahresfrist übergibt (Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 5a Rn. 57; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 46; MünchKomm-VVG/Reiff, AVB Rn. 58; Präve in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2004 § 10 Rn. 158; Präve, ZfV 1994, 374, 380; Lorenz, VersR 1995, 616, 619 f.; Schimikowski, r+s 1996, 1, 4).
§ 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. schafft im Interesse der Rechtssicherheit ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie Klarheit über Inhalt und Wirksamkeit des Versicherungsvertrags; dies erfordert, dass hier stets die entsprechenden Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag einbezogen sind (so auch Prölss aaO; Römer aaO; MünchKomm-VVG/Reiff aaO; Präve aaO Rn. 159; Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann aaO § 8 Rn. 9). Die von § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. getroffene Entscheidung gilt auch hier. Soweit teilweise angenommen wird, in diesem Falle komme ein bloßer „Rumpfvertrag“ ohne Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zustande (so Dörner/Hoffmann aaO; Wandt aaO), entspricht dies nicht der Interessenabwägung des Gesetzgebers. Es liegt typischerweise im Interesse beider Vertragsparteien, dass AVB in den Vertrag einbezogen werden. Denn häufig fehlt es im Versicherungsrecht – so insbesondere bei der Unfallversicherung nach dem VVG a.F. – an gesetzlichen Regelungen, die nach § 306 Abs. 2 BGB als dispositives Recht die fehlenden vertraglichen Regelungen über Gegenstand und Inhalt des Versicherungsvertrags sowie zu den wechselseitigen Rechten und Pflichten ersetzen könnten. Ohne eine Einbeziehung von Versicherungsbedingungen bestünde daher eine große Unsicherheit über den Inhalt des Vertrags; § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. soll aber gerade Rechtssicherheit schaffen (BT-Drucks. 12/7595 S. 111). Dieses Interesse besteht unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen in diesem Zeitraum auch tatsächlich erhalten hat. Demgemäß knüpft die Ausschlussfrist allein an den Zeitablauf nach Zahlung der ersten Prämie an.
dd) Einbezogen sind die V. AUB 2000, Stand 1. Januar 2003. Diese hat die Beklagte bereits im Versicherungsantrag eindeutig bezeichnet. Auf die Frage, wie sich die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien während der Schwebezeit darstellen, kommt es nicht an; der Versicherungsfall trat erst mehr als zwei Jahre nach Zahlung der ersten Prämie ein.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus den Angaben zu den Leistungsbeispielen im Antragsformular kein Anspruch. Diese Angaben enthalten weder eine gegenüber den AUB vorrangige oder abschließende Regelung noch ist ihretwegen die Bestimmung des Leistungsumfangs in Nr. 2.1.2.2.1 AUB einschränkend auszulegen.
aa) Die im Vordruck aufgeführten Leistungsbeispiele und Beschreibungen der Leistungen enthalten keine gegenüber den AUB der Beklagten vorrangige oder abschließende Regelung der Leistungspflichten.
Es liegt keine Individualvereinbarung vor. Ebenso wenig hat die Klägerin mit dem Antragsformular unvollständige Versicherungsbedingungen erhalten. Die Beklagte stellte dabei zwar die mit der Unfallversicherung verbundenen Leistungen und insbesondere die unterschiedlichen Tarife schriftlich dar; dies führt jedoch nicht dazu, dass solche Erklärungen als Versicherungsbedingungen anzusehen sind oder an deren Stelle treten. Auch sonst enthält die allgemeine Beschreibung der Versicherungsleistungen im Vordruck der Beklagten keine Erklärungen, aufgrund derer ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer annehmen konnte und durfte, dass bereits diese Angaben verbindliche Regelungen enthielten, die vorrangig gegenüber den Bestimmungen der AUB seien.
Vielmehr handelt es sich – wie sich sowohl aus der Darstellungsart mit Grafiken und Bildern als auch am Inhalt der Textpassagen („Leistungsbeispiele“) und der Art der Formulierungen („Diese Leistungen bieten Sicherheit – rund um die Uhr und überall“; „Lebensstandard sichern und erhalten“; „Einkommensausfälle auf Dauer ausgleichen“ etc.) erkennen lässt – um eine werbende Beschreibung der Leistungen. Denn die Beklagte hat im Antragsformular selbst klar und deutlich darauf hingewiesen, dass die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (V. AUB 2000) Vertragsgrundlage seien. Kein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann unter diesen Umständen annehmen, dass der Versicherer mit solchen werbenden Umschreibungen die wechselseitigen Ansprüche und die aus dem Versicherungsvertrag folgenden Rechte, Pflichten und Obliegenheiten umfassend und abschließend festlegen möchte. Damit kann dahinstehen, unter welchen Umständen im Rahmen der Antragstellung erfolgte Angaben zu den Versicherungsleistungen Vorrang gegenüber einzelnen Bestimmungen der AUB haben.
bb) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass nach der Rechtsprechung des Senats in Fällen, in denen Bestimmungen der Versicherungsbedingungen nicht eindeutig sind und Zweifel sich aus der Sicht des um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht überwinden lassen, nach § 305c Abs. 2 BGB von der für den Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung auszugehen ist (Senatsurteile vom 9. Juli 2003 – IV ZR 74/02, VersR 2003, 1163 unter II 2 c und vom 24. Mai 2006 – IV ZR 203/03, VersR 2006, 1117 Rn. 18). Solche Zweifel bestehen im Streitfall nicht.
Die Regelung in den AUB ist eindeutig. Gemäß Nr. 2.1.2.2 AUB kommt es für die Höhe der Invaliditätsleistung auf den Grad der unfallbedingten Invalidität an. Nr. 2.1.2.2.1 AUB, der bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit bestimmter Körperteile Invaliditätsgrade festlegt, bestimmt anschließend ausdrücklich, dass bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes gilt. Hingegen handelt es sich bei den Angaben der Beklagten, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, nicht um Versicherungsbedingungen, sondern um beispielhafte, verkürzte Darstellungen. Sie befinden sich im Vordruck vor dem Antragsformular und sollen die Versicherungsbedingungen nicht ersetzen, sondern nur in ihren wesentlichen Punkten erläutern.
Dies erkennt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne Schwierigkeiten. Es ist ihm – insbesondere aufgrund des klaren und eindeutigen Hinweises unter der Überschrift „Vertragsgrundlagen“, wonach für den Versicherungsumfang die AUB der Beklagten gelten – klar, dass sich der Leistungsumfang im Einzelfall nach den Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen richtet, die auch bei den in den Leistungsbeispielen angegebenen Gliedmaßen und Sinnesorganen je nach den Umständen zu geringeren Leistungen als den dort genannten Prozentsätzen führen können.
2. Die Anschlussrevision der Klägerin ist unbegründet.
a) Das Berufungsgericht hat die Schreiben der Beklagten rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Beklagte damit keinen Invaliditätsgrad von 70% anerkannt habe.
Die beiden Schreiben der Beklagten nennen als unfallbedingten Invaliditätsgrad 14% (Schreiben vom 11. Juni 2008) bzw. 17,5% (Schreiben vom 18. Juni 2009). Auf dieser Grundlage hat die Beklagte ihre Leistungen abgerechnet. Ein etwaiges Anerkenntnis der Beklagten geht jedenfalls nicht über diesen Invaliditätsgrad hinaus. Soweit die Beklagte in den Schreiben außerdem einen „Invaliditätsgrad bei völliger Gebrauchs-/Funktionsbeeinträchtigung bzw. Verlust“ bzw. für „Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Beines“ von 70% nennt, gibt sie damit – wie sich schon aus dem Text der Schreiben entnehmen lässt – bloß einen in der Gliedertaxe enthaltenen festen Wert wieder. Dieser stellte in beiden Schreiben lediglich einen Berechnungsfaktor für die von der Beklagten ermittelte Gesamtinvalidität dar; ein Anerkenntnis liegt darin nicht.
b) Ohne Erfolg rügt die Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe der Behauptung der Klägerin nachgehen müssen, ihr linkes Bein sei über der Mitte des Oberschenkels in seiner Funktion beeinträchtigt, so dass der hierfür geltende Wert der Gliedertaxe von 70% zugrunde zu legen sei. Das Berufungsgericht hat diese Angriffe der Klägerin auf das erstinstanzliche Gutachten nicht zugelassen, ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist.
Die von der Anschlussrevision erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
III. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht wird aufzuklären haben, in welchem Ausmaß das linke Bein der Klägerin in seiner Funktion tatsächlich beeinträchtigt ist und welcher Invaliditätsgrad sich danach gemäß den Regelungen in Nr. 2.1.2.2.1 AUB ergibt.